Zukunftsfähigkeit von Unternehmen – Weltdienlichkeit und soziale Praxis

19. Jul 2020 | 0 Kommentare

Einer repräsentativen EY-Untersuchung aus 2019 zufolge glauben ca. 50 % der Befragten nicht an die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens, d. h. an die Zukunftsfähigkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen. Am stärksten ist diese Angst in der Automobilindustrie und in der Finanzdienstbrache ausgeprägt, obwohl ihnen gleichzeitig auch die höchsten Innovationsanstrengungen zugeschrieben werden. In der Automotive-Branche glauben so nur 7 % der Befragten, dass ihr Produkt auch in 10 Jahren noch am Markt erfolgreich sein wird. Gleichzeitig sehen sich mehr als die Hälfte der Befragten nicht gut auf die Veränderungen durch die Digitalisierung vorbereitet. Jeder achte Beschäftigte insgesamt und jeder vierte Beschäftigte in der Finanzindustrie hat Angst um seinen Arbeitsplatz. Ja, die Digitalisierung ist ein zentraler Treiber für Veränderung in den nächsten Jahren und je nachdem wie Unternehmen hierauf reagieren, hat dies einen großen Einfluss auf ihre Zukunftsfähigkeit. Es gibt aber auch noch andere Entwicklungen.

Corona – Katalysator oder Wendepunkt?

In einem Beitrag der Zeit vom 10. Juni schreibt Andreas Reckwitz, einer der profiliertesten deutschen Soziologen, dass Corona keine wie auch immer geartete Zeitenwende, kein Tipping-Point der Geschichte ist, sondern lediglich einiges von dem offen legt, was bereits seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts angelegt ist: Die negativen Effekte eines gesellschaftlichen Strukturwandels, eines epochalen Übergang von der industriellen Moderne in eine „Spätmoderne“. Diese ist geprägt von einer bis dahin noch nie dagewesenen Dynamisierung von Informationen, Wissen und Warenströmen, von Globalisierung, von weltweiten Demokratiebewegungen in vormals autoritären Staaten, von Digitalisierung und Deregulierung, von Individualisierung und von der Entstehung einer breiten Start-up Kultur mit mehr oder weniger vielversprechenden Geschäftsmodellen. Geld, Konsum, grenzenlose Freiheit und Selbstoptimierung waren die Metaphern dieser neoliberalen Zeitenwende. Der Liberalismus schien endgültig zu siegen.

Erste, für jeden Einzelnen konkrete Anzeichen der negativen Effekte dieses Epochenübergangs zeigten sich eklatant in der Finanzkrise 2008, unter der Metapher „Klimakrise“ und aktuell in der Coronakrise. Mit Wucht und in aller Schärfe traten die Stärken und Schwächen nationaler Politiken, internationaler Organisationen und die Abhängigkeiten der Wirtschaft vom Staat und von Lieferketten zutage. Corona zeigte aber auch die positiven Wirkungen von Konsum- und Mobilitätsverzicht auf das Klima und Corona verändert möglicherweise nachhaltiger als man denkt das „Mindset“ einer über die Jahrzehnte neoliberaler Politik sozial desensibilisierten Gesellschaft. Begriffe wie Gemeinwohl, Rücksichtnahme, Verantwortung, Menschenwürde und Ausgrenzung werden breit diskutiert, Helfern wird applaudiert und die Bedeutung der Familie als letzte gesellschaftliche Bastion tritt mit aller Kraft, bei manchen auch leidvoll, ins alltägliche Bewusstsein. Seit Corona kennt man wieder Unterschiede und wirkliche Wichtigkeiten.

 

Kapitalismuskritik

Darüber hinaus gibt es seit Jahren eine zunehmend stärker werdende Kapitalismuskritik, die an der Klimakrise, an Ressourcenverschwendung, an Wirtschaftsskandalen und der zunehmenden globalen Ungleichheit anknüpft. Sie stellt das Wachstums- und Wohlstandsnarrativ sowie die Markt- und Produktionsbedingungen des gegenwärtigen kapitalistischen Systems grundlegend infrage. Die Kritik richtet sich überwiegend nicht gegen eine freie und liberale Gesellschaftsordnung, sondern sie fordert eine sozial und ökologisch verantwortliche Marktwirtschaft, die Zähmung eines entfesselten Kapitalismus, der das Versprechen eines Wohlstands für alle nicht einlösen konnte, sondern im Gegenteil durch Gier und Rücksichtslosigkeit soziale Disparitäten und ökologische Risiken verschärft hat.

Entsprechende Reaktionen und Vorgaben der Politik (Nachhaltigkeitsberichte in der Bilanz, UN Global Compact, etc.) sowie Forderungen „kritischer Konsumenten“ und relevanter gesellschaftlicher Gruppen finden zunehmend Gehör in der Wirtschaft und verändern auch die Strategien in den Chefetagen (CSR Strategien; Nachhaltigkeit ist das Trendwort in der Werbung; Blackrock will zukünftig nur noch in nachhaltige Geschäftsmodelle investieren, etc.). Inwieweit diese Strategien wirklich nachhaltig sind, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls wird nachhaltiges und ethisches Handeln zunehmend zum wirtschaftlichen Erfolgsfaktor.

Corona hat nun die negativen Effekte dieser neoliberalen Zeitenwende verschärft deutlich gemacht und die Frage ist, ob Corona wirklich nur ein Beschleuniger der unterschwellig längst vorhandenen kritischen Entwicklungen dieses Epochenwechsels ist oder ob Corona im Gefolge einer zunehmenden Kapitalismuskritik nicht doch das Potenzial zu einem erneuten Epochenwechsel hat, also doch so eine Art Tipping-Point ist.

 

Thesen zur Veränderung von Politik und Wirtschaft nach Corona

Aus meiner Sicht zeichnen sich zukünftig global nachfolgende Entwicklungen ab, die v.a. die industriellen Unternehmen direkt betreffen werden:

    • Die Blockbildung zwischen den USA, China, Europa und der Sowjetunion wird unabhängig von Trump weiter zunehmen und der freie Welthandel wird durch Zölle, Kontingent- und Qualitätsvereinbarungen und einseitige protektionistische Maßnahmen stärker eingeschränkt werden. Es wird in Teilen zu einer Deglobalisierung und zu einer stärkeren Regulierung der Märkte kommen.
    • Es kommt zu einem Primat der Politik und des Gemeinwohls. Es wird das „Primat der Wirtschaft“ ablösen. Die Bedeutung der Themen Sicherheit, Risikovermeidung, Gesundheit und Umweltschutz werden in den Politiken und Gesellschaften an Bedeutung deutlich zunehmen. Die Wirtschaft wird sich dem unterordnen müssen.
    • Überall auf der Welt entstehen immer mehr Initiativen und Bewegungen v. a. von jungen Menschen, die das kapitalistische Turbomodell des immer „höher, schneller, weiter“ grundlegend infrage stellen und mehr Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit fordern. Diese Generation hat ein fundamental anderes Mindset bzgl. eines „guten Lebens“ als ihre Elterngeneration. An dieser Generation kommt keine Wirtschaftsordnung vorbei.
    • Die wahrscheinlich länger anhaltende Erfahrungen des „Social Distancing“ und die gleichzeitige Ausbreitung der virtuellen Interaktionsräume wird weitreichend sein und die Wahrnehmung und das Denken der Menschen verändern. Distanz und fehlender Körperkontakt können Stress und das Gefühl des Nichteingebundensein erhöhen. Möglicherweise wird dadurch die Resonanz- und die Sozialfähigkeit der Menschen abnehmen – vielleicht wird das aber auch zu stärkeren Beziehungs- und Austauschbedürfnissen in den Unternehmen führen.
    • Die Bedeutung des Shareholder-Value wird sich zugunsten einer Stakeholderorientierung der Unternehmen verschieben. Eine gute und vertrauensvolle Kooperationsbeziehung zu Kunden, Lieferanten, Beschäftigten, seinem Umfeld wird erfolgskritisch.
    • VUKA bleibt eine Konstante. Die Digitalisierung und die Plattformökonomie werden neue Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen etablieren und alte vom Markt fegen. Der Lern- und Veränderungsdruck auf Unternehmen und Beschäftigte wird dauerhaft sein und stetig zunehmen.
    • Die Lieferketten werden in Zukunft sehr viel stärker diversifiziert Die Produktionstiefe der Unternehmen wird dadurch möglicherweise zunehmen. Ebenso werden die Unternehmen in den Lieferketten mehr Verantwortung nehmen müssen (Lieferkettengesetz). Kritische Abhängigkeitspfade werden abgebaut werden. Zusätzlich werden Redundanzen und Puffer bezogen auf Anlagen, Material und Personal aufgebaut werden. „Just in time“ ist out.
    • Die Marktanalyse wird noch stärker politische und gesellschaftliche Entwicklungen in den Blick nehmen und gegenläufige Entwicklungen von „Markttrends“ antizipieren müssen: Jede Entwicklung trägt seine Abschaffung oder Weiterentwicklung in sich. Vielleicht wird der Trend zum Homeoffice nur vorübergehend sein und es wird zu Veränderungen der Büro- und Arbeitswelten in den Unternehmen selbst kommen, die zumindest einige der Vorteile vom Homeoffice hinfällig machen.
    • Externe Sozial- und Umweltkosten werden in Zukunft stärker internalisiert und häufig auch durch einen höheren Preis abgebildet werden. Das betrifft v. a. die Flug-, Agrar-, Fleisch-, Pharma-, Energie- und Textilindustrie.

Die Frage ist nun, wie sich die Unternehmen positionieren, in einer Zeit, in der sich Märkte und Branchen tiefgreifend verändern werden, in der nicht mehr das Primat der Wirtschaft und eines weitgehend deregulierten Marktes gilt, sondern die Idee einer gerechteren und ökologischeren Welt und eines disziplinierten Kapitalismus immer mächtiger zu werden scheint.

Merkmale zukunftsfähiger Unternehmen

kunftsfähigkeit ist die Fähigkeit, auf die zunehmende Dynamik und Komplexität des Marktes und der Welt angemessen und angepasst zu reagieren, um dadurch die Überlebensfähigkeit und den Erfolg des eigenen Unternehmens dauerhaft zu sichern. Das bedeutet, dass ein Unternehmen in seiner inneren Verfasstheit eine Struktur aufweisen sollte, mit der es auf eine dynamische und komplexe Umwelt schnell und angemessen reagieren kann. Es muss, um bei der Umwelt anzudocken und mit ihr ein durchlässiges System zu bilden, eine Struktur aufweisen, die, ähnlich der Umwelt, eine gewisse Komplexität, Plastizität und eine hohe Verhaltensvarianz aufweist: Ein Stein wird mit einem Blatt Papier schwerlich ein stabiles System bilden. Offenheit, Veränderungsfähigkeit, Berechenbarkeit und Sicherheit, sind die wesentlichen, in sich wiederum in einem Spannungsverhältnis stehenden Eigenschaften, die ein Unternehmen in der VUKA-Welt aufweisen muss, um stabil und zukunftsfähig zu bleiben. Zukunftsfähigkeit beinhaltet eine Verstehens-, eine Verhaltens- und eine Managementdimension, die übergreifend durch nachfolgende Fähigkeiten repräsentiert werden:

  • das Verstehen seiner Umwelt und an ihre Beeinflussbarkeit glauben
  • das Antizipieren und richtige Einschätzen von Risiken und Veränderungen
  • das Abweichen von stabilen und gewohnten Mustern beim Reagieren auf Veränderungen
  • die hohe Lernbereitschaft von Beschäftigten
  • Risiken, Fehler und Niederlagen als Chance für Verbesserung begreifen
  • Beziehungen aufbauen und pflegen
  • mehrdimensionales und integratives Denken und Handeln
  • das Teilen von Wissen
  • die Bedeutung der Emotionen und die Reflexion darüber ist stark ausgeprägt

Bei einer starken Ausprägung dieser Fähigkeiten spricht man auch von einem resilienten, einem widerstandsfähigen Unternehmen, das Risiken frühzeitig erkennt und Krisen gut meistert. Resilienz ist also eine wesentliche Dimension eines zukunftsfähigen Unternehmen. Diese Fähigkeiten müssen aber erst entwickelt, gefördert und in die Unternehmensstrukturen übersetzt werden.

 

Zukunftsfähigkeit – Stellschrauben Strategie und Kultur

Strategie, Kultur, Mitarbeiter, Führung, Innovation und Organisation sind die wesentlichen Stellschrauben für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Diese Dimensionen sind aber nicht „gleichberechtigt“. Sie stehen in einer hierarchischen Anordnung: ohne Strategie und Kultur haben alle anderen Dimensionen und Funktionen keine Relevanz, weil sie sich aus diesen beiden, Strategie und Kultur, ableiten oder aus ihnen heraus maßgeblich geprägt sind. So lassen sich ohne eine entsprechende Kultur keine Changeprojekte nachhaltig implementieren oder keine autonomen Teams entwickeln. Die Unternehmenskultur ist das ungeschriebene „Mindset“, der Verhaltensmaßstab und die Äußerungsform eines Unternehmens. Sie bestimmt maßgeblich die (unbewussten) Kriterien, nach denen z. B. Führungskräfte ausgewählt werden, sie bestimmt den Grad von Mitarbeiterorientierung und Diversität, sie prägt maßgeblich die Kommunikation und die normativen Grundannahmen der Unternehmenstrukturen. Ebenso hat sie einen starken Einfluss auf die Innovationsbereitschaft und Agilität in einem Unternehmen. Die Unternehmensstrategie bildet den geschrieben, verlautbarten Rahmen für alles. Hieraus lassen sich Bereichsstrategien, KPIs und angemessene Organisationsmodelle ableiten. In der Strategie ist weiterhin der Unternehmenszweck abgebildet, der als gemeinsamer und motivierender Sinnhorizont unmittelbar das Zusammenleben und -wirken in einem Unternehmen prägen soll. Insoweit hat die Strategie auch einen unmittelbaren Einfluss auf die Unternehmenskultur. So ist es in Bezug auf Sinn, Verbundenheit und Motivation ein qualitativer Unterschied, ob ein Unternehmen eine Messtechnik entwickelt, mit der immer mehr Menschen sauberes Wasser bekommen oder ob ein Unternehmen die x-te Optimierung eines Turboladers oder eines Handys entwickelt. Beides, die Kultur als ungeschriebene, oft unbewusste, aber immer sichtbare Äußerungsform und die Strategie als niedergeschriebenes und bewusstes Wollen eines Unternehmens, bilden den Rahmen für alles andere, auch für die Förderung und Entwicklung von Resilienz. Je nach Strategie und Kultur in einem Unternehmen bildet sich Resilienz heraus oder eben nicht. In einem autoritär geführten Unternehmen, in dem Misstrauen und Kontrolle vorherrschen, wird sich keine organisationale Resilienz ausbilden, weil Vertrauen, Wertschätzung, Angstfreiheit und geteilte Verantwortung die Voraussetzungen für die Herausbildung von Resilienz sind.

 

 Skizzen einer zukunftsfähigen strategischen Ausrichtung

  • Zukunftsfähige Unternehmen werden ihre Risiken und Chancen, die mit der Digitalisierung, dem Demografischen Wandel, den massiven Veränderungen der Branchen und Märkte und den politischen Machtverschiebungen verbunden sind sehr genau analysieren. Sie werden ihre Prozesse, ihre Organisation und ihr Portfolio ggf. entsprechend umbauen und anpassen.
  • Zukunftsfähige Unternehmen werden ihren strategischen Fokus auf nachhaltige Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle ausrichten, die der Welt, der Menschheit und den Konsumenten wirklich nutzen und helfen. Der Maßstab „was wirklich hilft“ wird sein, was soziale Ungleichheit reduziert, was individuelle und soziale Entwicklung ermöglicht, was dem Gemeinwohl, der Gesundheit und dem Klima dient, was die Umweltzerstörung eindämmt und was Ressourcen schont.
  • Ein zukunftsfähiges Unternehmen entzieht sich einem Preis- und Kostenwettbewerb. Es wird seinen Fokus vom Profit auf den Nutzen und ihrer Kompetenz, diesen Nutzen zu stiften wenden. Unternehmen, die sich überwiegend über einen „niedrigen Preis“ positionieren, werden dauerhaft keine Chance haben. Auf Märkten, in denen der Preis das zentrale Verkaufsargument ist, gewinnen nur die wenigen wirtschaftlich Starken, die anderen verlieren.
  • Zukunftsfähige Unternehmen werden die mit einer Fokusverschiebung verbundenen Transformation nur mit veränderungsbereiten Beschäftigen schaffen, die ihre Potenziale einbringen können und wollen. Wichtigster Hebel dafür sind sozial kompetente und emotional intelligente Führungskräfte als Changemaker und Potenzialentwickler. Das Führungsverständnis basiert auf Empowerment, Vertrauen und Kooperation. Beschäftigte werden v.a. bei Veränderungsprojekten frühzeitig eingebunden.
  • In einem zukunftsfähigen Unternehmen wird die Strategie und Unternehmenshandlungen auch nach ethischen Kriterien hinterfragt, weil Menschendienlichkeit und andere Werte zunehmend eingefordert werden. Die Bedeutung der Reputation und der Glaubwürdigkeit eines Unternehmens wird zunehmen.
  • Zukunftsfähige Unternehmen werden mehr in Innovation und Entwicklung investieren. Diese Innovationen werden zunehmend in Netzwerken und plattformbezogen, gemeinsam mit Kunden, Lieferanten und teilweise auch mit Mitbewerbern, umgesetzt werden. Ein Produktmanager und Entwickler muss wissen, was sein Kunde in den nächsten Jahren braucht, deshalb wird er das Produkt mit seinem Kunden und möglichen Lieferanten gemeinsam entwickeln.
  • Zukunftsfähige Unternehmen werden mit ihren Stakeholdern Beziehungsnetzwerke knüpfen, die von Vertrauen, gemeinsamer Verantwortung und persönlicher Begegnung geprägt sein werden. Die Frustrationstoleranz innerhalb solcher Netzwerkes wird, wenn z. B. Lieferfristen nicht eingehalten werden können oder wenn es zu Qualitätsproblemen kommt, ungleich größer sein als in linearen „Forderung-gegen-Bezahlung-Beziehungen“. Innerhalb solcher Netzwerke werden Krisen gemeinsam gemeistert. Aus solchen Netzwerken können Verantwortungsgemeinschaften i. S. „kleiner Märkte“ entstehen.
  • zukunftsfähige Unternehmen werden organisatorisch flexibel sein. Verschiedene Organisationsformen von selbstorganisierten, funktionsübergreifenden und netzwerkorientierten, weitgehend hierarchiefreien Organisationsformen bis hin zu hierarchischen und ausgelagerten Einheiten sind möglich, werden eingeübt und je nach Aufgabenstellung und Herausforderung anwendet. Hierbei ist es wichtig eine gute Balance von Konstanz und Veränderung zu gewährleisten.
  • Ein zukunftsfähiges Unternehmen stellt Räume und Ressourcen für Reflexion und die Entwicklung emotionaler und seelischer Gesundheit zur Verfügung. Es stärkt die individuelle Resilienz seiner Beschäftigten durch entsprechende Angebote. Trotz aller gebotenen und geforderten Flexibilität und Anpassungsbereitschaft, vermittelt es kognitive und emotionale Sicherheit durch Orientierung und Fürsorge. Es schafft Strukturen, die die Beschäftigten vor arbeitsbedingter Überforderung schützt. Es vermeidet Selbstausbeutung und gewährleistet, dass die Volatilität des Marktes nicht 1:1 auf die Beschäftigten und auf die Produktionsprozesse übertragen werden.

 

Skizzen einer zukunftsfähigen Unternehmenskultur

  • Zentraler Schlüssel für die Unternehmenskultur und ihrer Veränderung ist das Verhalten der Beschäftigten. Werte, Normen und Gefühle sind die entscheidenden Treiber für Verhalten. Ein zukunftsfähiges Unternehmen kennt diese Treiber und die wichtige Rolle der Führungskraft und des Managements als glaubwürdiger Vermittler von Normen und Werten. Es stellt Rahmenbedingungen her, wie diese Treiber verstärkt oder verändert werden können.
  • Zukunftsfähige Unternehmen haben eine reflektierte „soziale Normativität“: Sie schaffen eine bewusste kollektive Intensionalität, ein „Wir“, das ein gemeinsames Ziel und einen geteilten Sinn hat. Dieser Sinn, dieses Ziel ist verhaltenssteuernd und verbindet alle Beschäftigten miteinander (soziales Band). Sie ist das Gegenteil einer auf Konkurrenz, Neid und Selbstdarstellung ausgerichteten Ich-Kultur. Dieses soziale Band bedeutet Wertschätzung, Achtung, Toleranz und Respekt vor dem „Fremden“ und der Leistung des Anderen, es verbietet Ausgrenzung, was in starken „Wir-Gefügen“ oftmals der Fall ist. In zukunftsfähigen Unternehmen wird Diversität gefördert und im „Wir“ integriert.
  • In der Kultur eines zukunftsfähigen Unternehmens sind die Führungskräfte wertemäßig stabil verankert. Sie haben einen reflektierten und ausgeprägten Wertekompass. Sie sind souverän und sind bemüht durch das „Leben ihrer Werte“ glaubwürdig zu sein. Dadurch bieten sie ihren Beschäftigten Sicherheit und sind Vorbilder. Sie stehen für Leistung, Vertrauen, Ehrlichkeit und gerechtes Handeln. In ihrem Führungsverhalten leitet sie mehr eine integrierende, dienende, wertschätzende und entwickelnde als eine kontrollierende Haltung.  Beschäftigte und Teams „unter“ ihnen blühen auf.
  • Zukunftsfähige Unternehmen nehmen Gefühle und Beziehungen ernst. Ihnen gelingt es positive Gefühle zu evozieren und sie für Veränderungen und gute Kooperation zu nutzen, ohne dabei die Beschäftigten auszunutzen. Die Herstellung und Pflege guter Beziehungen ist ihnen wichtig. Sie stellen hierfür eigens Ressourcen zu Verfügung. Das gilt nicht nur für Beschäftigte, sondern auch für Kunden, Lieferanten und andere Stakeholder.
  • Zukunftsfähige Unternehmen können Hierarchien und Regeln gut begründen. Sie sind kein „Argument“ an sich. Legitimität und Moral (ist das richtig?) sind genauso wichtig wie Legalität und Zweck (es ist nicht strafbar und effektiv). In zukunftsfähigen Unternehmen sind beide Normebenen wichtig und gleichwertig. Im Konfliktfall siegt die Legitimität, sofern sie nicht rechtswidrig ist.
  • In einem zukunftsfähigen Unternehmen stellt man eher die Frage nach dem Warum und weniger nach dem Wie. Das Zweck-Mittel-Denken bleibt nach wie vor gerade bei technischen Prozessen wichtig, aber in strategischen und sozialen Zusammenhängen wird das Begründen und Rechtfertigen von „Maßnahmen“ und Handlungen immer wichtiger werden. Das „Funktionieren“ alleine reicht nicht mehr aus.
  • Zukunftsfähige Unternehmen schaffen eine positive Lern- und Fehlerkultur. Jeder einzelne Beschäftigte soll sich weiter entwickeln und lernen können. Sie schaffen dafür die entsprechenden Strukturen. Führungskräfte werden geschult, wie sie Beschäftigte entwickeln können. Das Lernen bezieht sich dabei nicht nur auf fachliche, sondern auf persönliche Entwicklung. Entsprechend legt ein zukunftsfähiges Unternehmen bereits im Recruiting besonderen Wert auf die Lernbereitschaft von Beschäftigten. Wissen wird grundsätzlich geteilt, damit kein Singularwissen entsteht. Man pflegt eine dialogische Kultur.
  • In einem zukunftsfähigen Unternehmen ist Veränderung etwas ganz normales, weil es eine starke emotionale und soziale Basis hat. Die Kultur ist angstfrei und chancenorientiert. Sicherheit und Veränderung sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander. Man glaubt an die Veränderbarkeit und die eigene Wirksamkeit. In zukunftsfähigen Unternehmen ist man nicht reaktiv, sondern proaktiv unterwegs. Man  schaut im Umfeld gezielt nach Risiken und Chancen und geht sie an, noch bevor es einen spürbaren äußeren Druck dafür gibt.

Fazit

Aus meiner Sicht werden sich die Fähigkeiten, Zukunft positiv zu gestalten, nur in solchen strategischen Ausrichtungen und in einem solchen Kulturverständnis positiv entwickeln und entfalten können. Unternehmen vom Schlage VW werden aufgrund ihrer schieren Größe und dem Ausmaß ihrer inneren Vergiftung (Macht, Angst, Misstrauen) wahrscheinlich nicht mehr veränderbar sein und wie die Titanic am Eisberg der Markt- und Einstellungsveränderung zerschellen und untergehen. Man wird deutlich weniger Autos kaufen und wenn, dann nicht mehr von VW, weil die Kunden von Morgen ein anderes Wertesystem, ein anderes Mindset haben, das mit den gelebten Werten von VW nicht kompatibel ist. Vertrauen, Menschenfreundlichkeit in der Praxis, Lebensdienlichkeit im Produkt und in den Dienstleistungen sowie die Bereitschaft etwas Positives leisten zu wollen – das sind die Währungen von Morgen. Was dient der Welt und was ist der Beitrag der Unternehmen dazu?“