Moralische Sensibilität – Zukunftsskill für Führungskräfte

30. Jan 2023 | 0 Kommentare

Eine 2019 unter Führungskräften und Managern in Deutschland durchgeführte Befragung der „Wertekommission – Initiative Werte bewusste Führung e. V.“  ergab, dass bei ca. ein Viertel der Unternehmen eine Unternehmenskultur vorherrscht, die unethisches Verhalten „eher nicht verhindert“. Mechanismen für eine Unternehmenskultur, die ethisches Verhalten fördern (z. B. Klarheit, Sanktionierung, Durchführbarkeit, Transparenz und Vorbildfunktion) sind gesamthaft auch nur bei ca. einem Drittel der Unternehmen stark ausgeprägt. Die Mehrheit liegt in der Mitte bis „eher positiv“. Als Fazit geben die Studienmacher an, dass unethisches Verhalten bei vielen Unternehmen bis zu einem gewissen Grad toleriert wird.

Auf der individuellen Ebene wurde auch der „moralische Kompass“ der Führungskräfte abgefragt. Während den meisten Führungskräften moralische Werte grundsätzlich wichtig sind, gaben nur ca. ein Viertel der Befragten an, dass sie sich regelmäßig Gedanke über die moralische Relevanz bestimmter privater und beruflicher Situationen machen. Dagegen geben ca. drei Viertel der befragten Führungskräfte an, dass Sie das als moralisch richtig erkannte überwiegend auch durchsetzen können und wollen (moralische Wirksamkeit). Demgegenüber sieht sich ca. ein Fünftel der Befragten Führungskräfte als moralisch unwirksam an.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Wille zur moralisch richtigen Handlung zwar vorhanden ist, aber die moralische Sensibilität i.S. einer Reflexion über die moralische Relevanz von Handlungen und Situation nicht besonders stark ausgeprägt ist. Um ethisches Verhalten im Unternehmen durchzusetzen und zu fördern, ist dies aber eine wesentliche Voraussetzung.

 

Moralische Sensibilität – was ist das überhaupt?

Hierzu gibt es verschiedene Theorieansätze. Anknüpfend an das von James Rest entwickelte 4-Komponenten-Modell, das die bis in die 90er Jahren geläufigen Moralmodelle v.a. von Kohlberg u. a. integriert und weiterentwickelt hat, kann man moralischer Sensibilität als eine Fähigkeit bezeichnen,

die moralische „Themen“ oder das moralische Momentum in einer (Handlungs-)Situation zu erkennt, indem man sich über die Folgen der sich aus dieser Handlungssituation ergebenden Handlungsoptionen für andere Menschen bewusst ist und deren Bedeutung für die Beurteilung der Gesamtsituation einschätzen kann.

Moralische Sensibilität beinhaltet zunächst einmal die (soziale) Fähigkeit zur Empathie und zur Perspektivenübernahme (Fokus Person). Im Kern aber umfasst sie die Fähigkeit zum „Wahrnehmen der Moralthemen“ in einer Situation (Fokus Moral) als auch das „Reflektieren der Situation“ an sich (Fokus Situation). Ein weiteres Merkmal der moralischen Sensibilität ist die Einnahme eines neutralen „moralischen Standortes“ zur Wahrnehmung eigener Wahrnehmungsverzerrungen im Hinblick auf die Bewertung der Situation. Die moralische Sensibilität selbst ist wiederum Grundvoraussetzung zu einem moralischen Urteil und zu einem ethisch gut begründeten Vorgehen in einer Situation.

Gegenstand der moralischen Sensibilität sind also Handlungssituationen und die darin enthaltenen Moralthemen. Moral bezeichnet man als die Gesamtheit der Werte (z. B. Fairness, Vertrauen, Respekt, Ehrlichkeit, Wohlstand, Umweltschutz, etc.) und Verhaltensprinzipien (z. B. Goldene Regel, Toleranz, andere Menschen nicht verletzen, dem Schwächeren helfen, etc.), die von einer Gruppe von Menschen, von einem Unternehmen, einem Milieu oder einem Staat als positiv geteilt werden.  Auch wenn das meistens unbewusst geschieht, ist Moral ist immer die Grundlage von Bewertung und Motivator von Handlungen. Dadurch ist Moral eminent wichtig für die Führung von Menschen und Teams. Menschen befürworten, „machen mit“ oder lehnen ab und „steigen aus“ aufgrund von meist unbewussten Moralgründen.

 

Moralische Sensibilität – warum ist das wichtig?

1. Wertewandel

Wenn man davon ausgeht, dass „unmoralisches Verhalten“ ein Verhalten ist, das andere u.U. schädigt, dann ist die Fähigkeit der moralischen Sensibilität unabdingbar, um ein solches Verhalten frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden, um eben einen Schaden zu vermeiden.

Solche Schadenswahrscheinlichkeiten, also Risiken sind für Unternehmen häufig externe politische oder wirtschaftliche Ereignisse, die die Marktsituation für das Unternehmen ungünstig verändern oder das Businessmodell gefährden können. Sie können aber auch interner Art sein. Solche internen Risiken sind häufig Rechtsverstöße von Mitarbeitern oder vom Unternehmen als Ganzem, die finanzielle und ggf. auch schwere Reputationsschäden nach sich ziehen (z. B. VW). Dies kann aber auch unethisches Verhalten sein, das zwar noch unterhalb der Schwelle von rechtlichen Sanktionen liegt, aber deutlich gegen „übliche Moral-, Gerechtigkeits- und Fairnessvorstellungen“ verstoßen und deshalb die Unternehmenskultur und auch das Image negativ verändern können.

Solche Moralvorstellungen haben sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert. Spätestens seit der Finanzkrise 2009, die einige Politikwissenschaftler und Historiker als das endgültige Ende eines entfesselten und rücksichtslosen Kapitalismus sehen und seitdem der Klimawandel als mediales Narrativ „Klimakrise“ in das Bewusstsein der Massen getreten ist, gibt es eine deutliche Werteverschiebung. Ein Wertewandel, mehrheitlich von jungen gut ausgebildeten Menschen, den Führungskräften von morgen getragen, weg von Partikularinteressen, toxischem Machtgebrauch, fossilem Wachstum, hin zu mehr sozialen Werten und sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit, das mehr Rücksicht auf Mensch und Natur nimmt, lebensdienlich ist und die immer knapper werdende Ressourcen global gerecht verteilt (globale Empathie). Diese Werteverschiebung verändert natürlich auch die Erwartungen an Unternehmen als Arbeitgeber, an ihr Wirtschaften und an ihr Businessmodell. Moralisch sensible Führungskräfte kennen dieses Wertepanorama und erkennen schneller als andere ihre Relevanz für das Business.

 


2. Regulatorische Eingriffe

Gleichzeitig nehmen die regulatorischen Eingriffe des Staates (BRD/EU) in die Wirtschaft v.a. aufgrund zunehmender ökologischer und gesellschaftlicher Risiken und der zunehmend kritisierten globalen Ungerechtigkeit immer mehr zu (Lieferkettengesetz, Hinweisgebergesetz, CSR-Richtlinie/Direktive, EU-Taxonomie, diverse Arbeitsschutzbestimmungen, Mindestlohn, etc.). Die Unternehmen sind also auch gesetzgeberisch „gezwungen“ ihre Tätigkeiten zunehmend auch nach sozialen und moralischen Zielen und Prinzipien auszurichten. Verstöße dagegen werden in Zukunft sanktioniert

Moralisch sensible Führungskräfte und Manager erkennen solche Verstöße dagegen frühzeitig, indem sie eine gute Wahrnehmung für die „ersten kleinen Inkorrektheiten“ haben. Weiterhin ermöglichen sie es auch, Diskussionen im Unternehmen anzustoßen, die solch ein Verhalten systemisch, also aufgrund von Prozessen und Verhaltenskodizes verhindern können. Die Bedeutung von moralischer Sensibilität für Unternehmen besteht darin, dass sie

    1. Schäden im Unternehmen vermeidet,
    2. ein moralisches Urteil und eine ethisch richtige Entscheidung/Handlung ermöglicht und damit auch unnötige Konflikte vermeidet
    3. dass sie das Image und die Unternehmenskultur positiv verändern kann.

Insgesamt sind moralisch sensible Führungskräfte ein Kostensparprogramm für Unternehmen.

 

Moralische Sensibilität – Das Dilemma vieler Führungskräfte

Wie die o.g. Führungskräftebefragung auch ergab, können 30 % Prozent der Führungskräfte ihre moralischen Überzeugungen „überhaupt nicht“ oder „nur teilweise“ einbringen können, ohne dabei berufliche Nachteile zu erlangen. Oftmals stehen moralische Erwägungen gegen ökonomische Ziele und Vorgaben (Moral kann durchaus auch Geld kosten). Die Führungskräfte sehen darin häufig einen Konflikt, den sie dann oft unausgesprochen und für sich alleine zugunsten der ökonomischen Erwartung und zuungunsten der Moral lösen.

Ebenso zeigen ca. 20 % der Führungskräfte ein grundsätzliches und ca. 55 % ein partielles Misstrauen ggü. anderen Mitarbeitern. Aus der Moralforschung und der Verhaltensökonomie weiß man, dass moralisches Verhalten deutlich wahrscheinlicher ist, wenn man davon ausgehen kann, dass der andere „es auch so macht“ oder dies zumindest gut findet (positive Verhaltenserwartung). Die Norm und die Verhaltenserwartung der Zugehörigkeitsgruppe haben den größten Effekt auf moralisches oder auch unmoralisches Verhalten. Aus Sicht der Führungskräfte haben ihre gleichrangigen Kollegen und Kolleginnen und die Geschäftsführung die entscheidende Vorbildfunktion. Sie bilden das normative Gerüst des Unternehmens und den Referenzrahmen für moralisches und unmoralisches Verhalten.

Deshalb ist es für eine Förderung der moralischen Sensitivität entscheidend, einen positiven Referenzrahmen für moralisches Verhalten zu schaffen, in dem es klar ist, dass moralisches Verhalten goutiert und nicht bestraft wird. Außerdem sollte es organisatorische „Räume“ dafür geben, dass eventuelle Konflikte zwischen Moral und Ökonomie diskutiert werden können und dadurch auch sichtbar wird, dass moralische Fragen zum Business dazugehören. 

 

Moralische Sensibilität - Anknüpfungspunkte im Unternehmen

1. Compliance und regulatorische Bestimmungen

Compliance könnte man frei als „Regeltreue“ übersetzen. Es ist also eine Eigenschaft, die sowohl das Handeln eines Einzelnen als auch das kollektiv-strategische Handeln einer Organisation, eines Unternehmens bezeichnet. Gegenstand des Handelns sind Regeln, Gesetze, interne und externe Richtlinien, die, wenn sie nicht eingehalten werden, sanktioniert werden können. Compliance ist also im Gegensatz zur Integrität wesensmäßig mit einer „Bestrafung“ verbunden. Die Regeln bestimmen das Soll, es ist der Handlungsrahmen jedes Einzelnen und des Gesamten.

Ein Regelverstoß kommt nicht plötzlich oder aus heiterem Himmel, sondern er hat immer einen Vorlauf, eine Geschichte, die zunächst einmal bei kleinen Abweichungen vom „Gesollten“ oder vielleicht noch nicht einmal vom Gesollten, sondern von dem, was das Gesollte voraussetzt, abweicht.

Ein Beispiel:

Ein Werkzeugteil muss regelmäßig auf bestimmte Eigenschaften hin gemessen werden, um die Prozessanforderungen zu erfüllen (das Gesollte). Die Voraussetzung ist, dass alle MA und v.a. neue MA darauf hingewiesen und entsprechend eingearbeitet werden. Dieser Hinweis und die Einweisung werden einmal nicht gemacht, weil vergessen oder weil etwas anderes wichtiger war. Ein anderer sieht das und macht es auch so. So entsteht plötzlich eine „Legitimation i.S. einer Gewohnheit“, dies auch beim nächsten Mal nicht zu machen. Es ist ein Aufwand und es funktioniert ja auch so.

Ein solches Verhalten als Einfallstor für Betrug (das Produkt entspricht nicht den vereinbarten Eigenschaften) zu erkennen und abzustellen, ist ein Zeichen von moralischer Sensibilität, weil die Folgen einer scheinbar kleinen Nachlässigkeit sehr schwerwiegend sein können.

Das ist ein kleines Beispiel aus der Produktion. So gibt es zahlreiche Bespiele aus dem Bereich des Datenschutzes, „kleinere“ oder „harmlose“ AGG Verstöße, Lieferantenanforderungen mit „gewissen Spielräumen“, kleinere „Unachtsamkeiten“ in Bezug auf Zoll- und Ausführungsbestimmungen, nicht ganz richtige Versprechen in Bezug Produktqualität, etc.. Hier sind allesamt gesetzliche Regelungen betroffen, die immer auch moralische Werte betreffen und schützen und hier zeigt sich auch, dass Compliance nicht nur eine Angelegenheit von Compliance Managern, sondern insbesondere auch von den Führungskräften und den Linienverantwortlichen ist.

Moralische Sensibilität setzt bereits da ein, wo bereits weit vor dem eigentlichen Regelverstoß falsch abgebogen wird, wo ein Auge zugedrückt oder etwas „übersehen“ wird, das für sich alleine betrachtet nicht schwerwiegend erscheint, was aber bei Wiederholung und Gewöhnung unweigerlich zum Regelverstoß führen wird.

Präventiv sind deshalb auch Compliance- und Integritäts-Richtlinien sehr hilfreich und sinnvoll, die bereits bei einem Verhalten weit vor dem eigentlichen Rechtsverstoß ansetzen.  Beim neuen Hinweisgeberschutzgesetz, das zum einen den Hinweisgeber von Rechtsverstößen in Unternehmen schützen soll und zum anderen die Unternehmen „zwingt“, Verstöße intern zu „heilen“, werden solche Guidelines dringend empfohlen, um ein stärkeres „Präventions- und Risikobewusstsein“ zu bekommen.

 

2. Strategie und Kultur

Die handlungsleitenden Normen in einem Unternehmen bestimmen die Unternehmenskultur und sie bestimmen auch, ob moralische richtiges Handeln sanktioniert oder gefördert wird. Ethisches Handeln wiederum ist Bestandteil der ethischen Infrastruktur in einem Unternehmen und bestimmt dadurch auch die Unternehmenskultur. Ethisches Handeln und Unternehmenskultur beeinflussen sich wechselseitig. Die Bedeutung einer ethischen Infrastruktur für das moralisch richtige Handeln in einem Unternehmen wird auch in der o.g. Untersuchung angemerkt:

Gleichzeitig zeigt die diesjährige Befragung auf, wie wichtig die ethische Infrastruktur in Unternehmen ist. Eine starke ethische Kultur begünstigt wertekonsistentes Verhalten und erlaubt es Führungskräften, ihre moralischen Überzeugungen wirksam und verantwortungsvoll umzusetzen.

Anknüpfungspunkte für die Etablierung einer ethischen Infrastruktur und damit auch für eine Sensibilisierung für moralische Fragen gibt es v.a. in der Strategie:

    1. Mit welchen Produkten und Dienstleistungen geht ein Unternehmen auf den Markt.
    2. Tragen sie einen moralischen Wert in sich, die das Wohl von Menschen und Natur fördern oder schädigen sie eher?
    3. Gibt es bei strategischen Fragen auch „Gut-Schlecht-Argumentationen“, die jenseits ökonomischer Erwägungen und Diskurse liegen?
    4. Gibt es Möglichkeiten, um über moralische Konflikte zu sprechen?
    5. Welche Werte, Handlungs-, Kommunikations- und Organisationsprinzipien werden im Leitbild als gut und unternehmenskonform beschreiben?
    6. Was ist der Markenkern des Unternehmens? Wofür will das Unternehmen nach außen hin stehen – nur Gewinne machen oder mehr?
    7. Hält das Unternehmen seine Versprechen und seine selbstauferlegten Ansprüche ein? Ist es glaubwürdig?
    8. Sind moralische Kompetenzen Teil des Auswahlverfahrens, v.a. von Führungskräften?

Gerade im Bereich der Produkt- und Leitbildentwicklung, des Marketings, der Kommunikation und der Personalauswahl ist höchste moralische Sensibilität gefordert, weil gerade hier die Folgen des Handelns sehr weitreichend sind. Reputationskrisen nehmen hier ihren Anfang: Greenwashing, nicht eingehaltene Versprechen, Kooperation mit Autokratien, Schädigung von Menschen und Umwelt durch Produkte, unfairen Umgang mit Stakeholdern, etc.

 

3. Führung und Kultur

Kulturprägend ist neben der Strategie v.a. auch das konkrete Führungsverhalten. Moralische Sensibilität ist hier v.a. auch Bereich der Team- und Menschenführung gefragt. Zwei große, moralisch relevante Fragen stehen hier regelmäßig im Raum:

  1. Ist das fair?
  2. Werde ich mit meinem Urteil meinem Mitarbeiter/Mitarbeiterin gerecht?

Ist es z. B. fair, wenn eine FK einem MA in der gehaltskritischen Leistungsbeurteilung eine schlechtere Beurteilung gibt, weil er/sie aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen im Gegensatz zu Kollegen zwei Arbeitsplätze nicht machen kann? Die Arbeit an den Arbeitsplätzen (AP), die er bedient, macht er aber sehr gut, schnell und gewissenhaft. Ethisch ist die Antwort auf Frage nicht so trivial, wie sie zunächst erscheint. Oder, zweites Beispiel, geht es bei der Verteilung der Arbeit durch die Vorarbeiter fair zu?

Im ersten Beispiel würde moralische Sensibilität nicht zwingend bedeuten, die Frage beantworten zu können, aber es würde bedeuteten, das Grundproblem (Richtigkeit der Kriterien der Leistungsbeurteilung) zu erkennen und für eine systemisch-grundsätzliche Klärung an die GF und den BR zu delegieren. Denn die FK kann diese ethische Frage aufgrund seiner Rolle und seiner Verantwortung nicht beantworten. Stattdessen würde moralische Sensibilität hier darin bestehen, die Dimensionen und die Verantwortlichkeiten bei dieser Frage zu erkennen. Im zweiten Fall bestünde moralische Sensibilität darin, die unterschiedliche Belastungen oder gar auch Diskriminierungen zu erkennen und ein Bewusstsein darüber zu haben, dass dies sowohl im moralischen als auch im ökonomischen Sinne falsch ist.

Eine weitere Frage im Führungsalltag ist die der Alltagsurteile. Der oder die oder das ist so und so…! Führungskräfte müssen häufig sehr schnelle Entscheidungen treffen, die ohne groß zu überlegen als richtig, weil aufgrund von ähnlichen Erfahrungen naheliegend, angesehen werden. Moralisch sensible Führungskräfte würden bemerken, dass solche Urteile oder Unterstellungen dem Beschäftigten u.U. nicht gerecht werden, weil sie von so vielen Grundannahmen beeinflusst werden, die auch falsch sein könnten.

Insgesamt sind Führungskräfte in ihrem Führungshandeln auch häufig in einer Konfliktsituation zwischen eigenen Überzeugungen und wirtschaftlichen Zielen. Dies zu erkennen, sie zu „händeln“ und eben nicht wegzudrängen ist auch ein Teil von moralischer Sensibilität.

 

Moralische Sensibilität - Training

Moralische Sensibilität ist zu einem großen Teil in frühen Jahren erlernt worden. Dennoch kann sie trainiert werden. Hierfür sind folgende „Räume“ eine gute Möglichkeit:

  • Ethik- und Entscheidungstraining:

    Anhand eines konkreten und schwierigen Falls aus der operativen Führungsarbeit oder aus dem strategischen Management wird gemeinsam in einer kleinen Gruppe von Führungskräften dieser Fall nach ethischen, also nach moralischen, sozialen und ökonomischen Kriterien reflektiert und bearbeitet. Am Ende des Trainings steht ein Entscheidungs- oder Handlungsvorschlag. Die Gruppe der Führungskräfte repräsentieren dabei unterschiedliche Abteilungen und Bereiche des Unternehmens.

  • Compliance- und Integrität-Guideline

    Die Entwicklung von Compliance- und Integrität-Guidelines in Unternehmen wird wie oben bereits ausgeführt in Zukunft immer wichtiger werden. Das neue Hinweisgeberschutzgesetz schreibt das zwar nicht zwingend vor, aber sämtliche Experten weisen darauf hin, dass dies für einen funktionierende interne Meldestelle, bei der solche Verstöße gemeldet werden, unabdingbar ist. Gleichzeitig ist es eine hervorragende Übung zur Entwicklung und Vertiefung moralischer Sensibilität vom Compliance Verantwortlichen, Führungskräften und den Beschäftigten.

  • Leitbildentwicklung

    Im Rahmen der Leitbildentwicklung werden klassischerweise v.a. die Unternehmenswerte und Handlungsnormen definiert, die dem Unternehmen im Umgang mit seinen Stakeholdern wichtig sind. Sie sollen auf ein Ziel hinweisen und dieses unterstützen zu erreichen (Vision, Mission, Nordstern). Eine solche Leitbildentwicklung ernsthaft und nicht nur phrasenhaft zu entwickeln hieße, die einzelnen Werte auf ihre (gewollte) Bedeutung hin zu reflektieren und die darin enthaltenen Handlungsnormen in den Businessalltag zu übertragen. Ferner, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese Werte auch gelebt werden können.

  • Ethik-Coaching:

    Coaching einer Führungskraft, die einen moralischen Konflikt hat (spezifisches Anliegen) oder das Anliegen einer Verbesserung seiner/ihrer moralischen Kompetenz hat (persönlichkeitsbezogenes Anliegen)

Fazit

Moralische Sensibilität ist nichts anders als ein Frühwarnsystem für Verhalten und Konstellationen, die moralisch und rechtlich fragwürdig sind. Dadurch entstehen Risiken und Kosten, die durch ein solches Frühwarnsystem mindestens reduziert und im besten Fall verhindert werden können. Ebenso befördert die Kompetenz der moralischen Sensibilität, dass Unternehmen ein positives Image gewinnen können. Unternehmens sind deshalb gut beraten, wenn sie in die moralische Sensibilität Ihrer Beschäftigten investieren und Räume für das Training dieser Fähigkeiten und Räume zum Austragen von ethischen Konflikten (Moral vs. Ökonomie) schaffen. Moralische Sensibilität ist der Skill der Zukunft!

 

 

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