Weniger ist Mehr – Unternehmensverantwortung in der Ökokrise

18. Sep 2022 | 0 Kommentare

Die Menschheit lebt im Krieg mit der Natur und es scheint so, dass beide ihn verlieren. Seit der Trennung von Mensch und Natur, dem Sündenfall der Moderne, lebt die Menschheit nunmehr in einer menschheitsgeschichtlich noch nie dagewesenen Situation. Sie muss sehr schnell entscheiden, ob sie so weiter macht wie bisher und dadurch unwiderruflich in den Abgrund läuft, oder ob sie noch einen „Turnaround“ in eine andere, bessere Zukunft schafft. Mittlerweile dämmert es ihr, dass Mensch und Natur nicht zu trennen sind, dass beide in einem Boot sitzen und gemeinsam überleben oder eben untergehen. Ein „weiter so“ wäre irreversibel, weil es dann kein Zurück mehr gibt. Wie kann in Anbetracht einer eskalierenden Ökokrise Unternehmensverantwortung buchstabiert werden?

Die Fakten

Der Weltklimarat  stellte jüngst fest, dass die Nationen, wenn ihre Regierungen so weiter machten wie bisher, auf eine Erderwärmung von 2,8 Grad gegenüber dem Jahresmittel im vorindustriellen Zeitalter zusteuern. Grundlage dieser Zahl sind die nationalen Klimaschutzpläne und -ziele der Staaten. Und das, obwohl man das ursprünglich anvisierte Ziel bereits von 1,5 Grad auf 2,0 Grad hochgeschraubt hat. Er reicht hinten und vorne nicht.

Zusätzlich leben wir seit Anfang der 70er Jahre auf Kosten der Erde. Wir verbrauchen v.a. mehr fossile Ressourcen als die Erde hergibt, bzw. als nachwächst. Wir leben seit nunmehr 50 Jahren von der Substanz, was überlebenswichtige Ökosysteme (Wald, Meere, Böden, etc.), die Artenvielfalt und damit das ökologische Gleichgewicht zerstört. 2022 braucht die Menschheit im Schnitt 1,75 Erden (die USA ca. 5 und Deutschland ca. 3 Erden), um den Ressourcenhunger der Menschen zu stillen. 2050 bräuchten wir 3 Erden, wenn wir so weiter machten wie bisher. Die katastrophalen Folgen (Dürren, Hunger, Kriege, Überschwemmungen, Krankheiten, etc.) spüren v.a. die ärmeren Länder, also die Nichtverursacher dieses Raubbaus.

Seit nunmehr 50 Jahren, seit dem Bereich vom Club of Rome über die Grenzen des Wachstums steuern wir auf einen Kollaps zu, der wissenschaftlich bestens belegt und kommuniziert ist. Wie so oft haben wir auch hier kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Ein Kollaps, von dem alle wissen, der sich auch sinnlich immer drastischer zeigt (Extremwetterereignisse, Dürren, Polkappenschmelze etc.), dem aber bisher weltweit nicht ausreichend entgegengetreten wird. 

Ignoranz

In einem Dossier der Zeit fragen Fritz Engel und Bernd Ulrich, wie es sein kann, „…dass wir alles über die Klimakrise wissen und trotzdem so wenig dagegen unternehmen?“, und weiter „Wenn die existentielle, dramatische und dringliche Krise im Mensch-Natur-Verhältnis wissenschaftlich so offensichtlich ist…., warum geht die Menschheit dann immer tiefer in diese selbstzerstörerische Krise hinein?“.

Die beiden Autoren versuchen eine psychoanalytische Erklärung, indem sie mutmaßen, dass der Mensch in verschiedener Hinsicht in seinem Glauben an seine Größe und an seine legitime Herrschaft, im Glauben an die Kontrollierbarkeit des Lebens und an seine Selbsterlösung angegriffen wird, kurz in seiner Ehre gekränkt ist, dies aber und die damit verbundenen Tatsachen (Wissenschaft) verdrängt und so einer Normalität frönt, die bald keine mehr sein wird.

Selbst man diesem Erklärungsversuch nicht zustimmt, gibt es doch kein Zweifel daran, dass wir in den Zustand einer ökologisch und sozial menschenfeindlichen Erde geraten werden, wenn v.a. die Staaten im globalen Norden ihre Lebensweise nicht radikal verändern. Jedoch unternehmen weder wir als Konsumenten und Bürger, noch die Politik und die Wirtschaft aktuell deutlich zu wenig, um die Laufrichtung zu verändern und die wäre im Wesentlichen:

  • CO2 Emissionen durch radikale Transformationen der Subsysteme Verkehr, Landwirtschaft, industrielle Produktion, Bauen und Wohnen, Energiewirtschaft drastisch zu reduzieren
  • CO2 Speicher (Bäume, Moore, Meere, Permafrostböden, etc.) erhalten, bzw. ihre Zerstörung stoppen
  • Ressourcenverbrauch drastisch zu reduzieren, weil der bisherige Verbrauch von endlichen Ressourcen (weltweite Biomasse) das Klima weiter anheizt und die Artenvielfalt zerstört
  • zudem noch ein Wohlstandverzicht zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung des globalen Südens und um globale Wanderungsbewegungen und „fossile Nachholeffekte“ des globalen Südens zu vermeiden.

Dies sind jedenfalls die wichtigsten, seit Jahren vorgetragenen Forderungen von Wissenschaftlern, was man mittlerweile getrost als Faktum und auch als Votum für einen partiellen Konsum- und Wachstumsverzicht bezeichnen kann, zumindest in Bezug auf den Ressourcenverbrauch. Dauerhaftes Wachstum bei endlichen, d. h. begrenzten Ressourcen geht schlicht und einfach nicht zusammen. Diesen Notwendigkeiten müsste sich eigentlich alles andere unterordnen, weil diese „Klimakrise“ nicht nur eine Klimakrise ist, sondern alles, das Leben, das Wirtschaften, das Zusammenleben umfasst, weil es eine Erden- und Menschheitskrise ist. Die Basis von allem wird angegriffen und dürfte bald irreversibel zerstört sein, wenn man nicht schnell gegensteuert.

"Heilsbringer Wachstum" vor dem Aus

Die Wachstumsidee als ökonomisches Konzept ist menschheitsgeschichtlich noch relativ neu. Sie entstand im 18. Jhd. infolge von Kolonialisierung und technischem Fortschritt. Sie entwickelte sich phasenweise, erst als ein intensives Wachstum zur Erhöhung der Effizienz und Produktivität, aber noch bei begrenzten Ressourcen, dann als ein extensives Wachstum, in Form des Einsatzes von immer mehr Ressourcen zur Wohlstand- und Effizienzsteigerung1. Beide Wachstumsvarianten haben sich bis heute gehalten. Ungefähr 300 Jahre nach der Einführung der Wachstumsidee schlägt diese Erfolgsstory augenscheinlich in ihr Gegenteil um, nämlich in die Zerstörung der Erde. Das dialektische Prinzip als Entwicklungsmuster, nach dem jeder Entwicklung ihre Zerstörung und ihre Ablösung innewohnt, jede Entwicklung in ihr Gegenteil verkehrt wird, was dann wieder Neues erzeugt, würde jetzt im Extremfall wahrscheinlich ihr endgültiges Ende erfahren: Danach wäre nichts mehr, keine Entwicklung, nichts Neues, sondern nur noch Ödnis.

Das Wachstums-Narrativ ist aber nicht nur ein ökonomisches Konzept, sondern es ist v. a. auch ein politisches Konzept in Form eines Wohlstands- und Glücksversprechen, immer auch zur Beruhigung der Bürger und zur Legitimation der eigenen Politik. Zudem ist Wachstum die Voraussetzung zur Schuldentilgung. Ohne Wachstum wäre eine Tilgung der Schuldenberge, wie sie heute an den Skylines der Metropolen vorbei in den Himmel schießen, überhaupt nicht mehr möglich.

Damit wäre auch eine etwas profanere Deutung der o.g. Ignoranz möglich: Man ignoriert die Dramatik der Krise, weil man am Wachstumsfetisch festhalten will und muss. Die Vorstellung von Politik und Wirtschaft, ein gutes Leben auch ohne Wachstum und ohne das heutige Wohlstandsniveau führen zu können, erscheint für die meisten Leader im globalen Norden „out of the box“ und im Mindset nicht vorzukommen. Glück und Zufriedenheit wird gesellschaftlich und häufig auch individuell mit Wohlstand, Konsum, Wachstum und dem BIP verbunden. Zudem ermöglicht Wachstum sozialen Frieden und die Vermeidung von gesellschaftlichen Konflikten: „Bedürftige“ können aus dem Zuwachs bedient werden, ohne dass man anderen etwas wegnehmen muss (Politik der weitgehenden Konfliktvermeidung). Der Konflikt zwischen Erdzerstörung und gemächlicher, zumutungsfreier Politik bleibt aber. Kein Verantwortlicher aus Politik und Wirtschaft sagt: Ihr Bürger, Konsumenten, Unternehmer, Eigentümer, Arbeitnehmer, etc. müsst in Zukunft verzichten und von eurem materiellen Wohlstand abgeben. Jeder entsprechend seinem Vermögen. Es geht so nicht mehr so weiter. Niemand sagt das, aus Angst vor einer scheinbaren Bürgerwut, aus Angst vor Verboten.

Das Narrativ des grünen Wachstums

Stattdessen wird, wenn überhaupt, eine „softe“ Richtungsänderung eingeleitet. Die Idee eines „grünen Wachstums“ oder eines „Green Deals“ wird eingeführt. Grünes Wachstum bedeutet, dass weiteres Wachstum und Wohlstand bei gleichzeitiger Ressourcenbegrenzung durch Innovation, grüne Technologien, CO2 -freier Energiegewinnung und Effizienzsteigerungen möglich ist. Das Wachstum soll vom Ressourcenverbrauch und den Emissionen entkoppelt werden. Zahlreiche Experten und Studien2 widersprechen dieser Vorstellungen und belegen, dass der Ressourcenverbrauch durch grüne Technologien zwar reduziert und v.a. auch die Emissionen eingedämmt werden könnten, was aber unter dem Strich nicht ausreichen würde, um die planetaren Belastungsgrenzen einzuhalten. Zum einen deshalb, weil auch grüne Technologien deutlich mehr Ressourcen verbrauchen als sie einsparen und zum anderen, weil auch Effizienzsteigerungen ihre Grenzen haben und eine Kreislaufwirtschaft aufgrund des abnehmenden Wirkungsgrades der Materialien zeitlich als auch qualitativ ebenfalls begrenzt ist. Man gewinnt dadurch zwar Zeit, aber es werden bei einer Fortdauer des „ökologischen Konsums“ trotzdem mehr Ressourcen verbraucht als bereitliegen, um den Planeten im Gleichgewicht zu halten. Deshalb bleibt nur die signifikante Reduzierung des Verbrauchs.

Dies ist natürlich zuallererst die Aufgabe der Politik, weil sie national und weltweit die Rahmenbedingungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Ressourcenverbrauchs setzen müsste. Hier wären ähnlich dem Handel mit Emissionszertifikaten Ressourcenzertifikate auszugeben, deren Menge und Handelsregeln nicht nur zu einer globalen Begrenzung des Ressourcenverbrauchs, sondern auch zu einem Ausgleich zwischen den Industrienationen und dem globalen Süden in Bezug Entwicklungsmöglichkeiten führen müssten. Dies wäre zumindest ein Ansatz zu einer gerechten Verteilung eines weltweit kleiner werdenden Kuchens. Der globale Norden würde auch zu einer Verzichtsgesellschaft werden, zumindest hinsichtlich des Verbrauchs endlicher Ressourcen. Und die Unternehmen im reichen Norden?

Gewinne ohne Ressourcenwachstum?

Gewinne sind notwendig, um zu überleben, um Investitionen zu tätigen. Aber ist Wachstum eine notwendige Voraussetzung für eine Gewinnerzielung? Um Gewinne zu erzielen, muss ein Unternehmen mehr einnehmen als ausgeben oder es muss die Kosten reduzieren, falls es nicht mehr einnehmen kann.  Falls ein Produkt im Nutzen singulär und nahezu konkurrenzlos ist, könnte man Umsatzwachstum bei gleichbleibenden oder reduzierten Ressourcen auch über einen höheren Preis erzielen.  Ansonsten aber dürfte in unseren „Wohlstandswachstumsgesellschaften“ Wachstum immer mit zusätzlichem Ressourcenverbrauch verbunden sein. Dies dürfte wohl für die überwiegende Mehrheit der Unternehmen gelten, weil sie sich in einem internationalen Wettbewerb befinden. Kaum ein Produkt dürfte konkurrenzlos sein. Insofern ist Gewinn auf freien und wenig reglementierten Märkten in der Regel an Wachstum gekoppelt, was aber der Notwendigkeit einer massiven Reduzierung des Ressourcenwachstums entgegensteht. Die Harmonisierung von Gewinn und Ressourcenvermeidung dürfte zumindest im globalen Norden also nur über eine Reduzierung der Umsätze, der Kosten (Einnahme- und Gehaltsverzicht der Eigentümer und Beschäftigten) sowie u.U. auch über eine Verringerung der Arbeit zu machen sein. Falls die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung ressourcenschonend zu machen wäre, könnte sie dabei helfen. Der Kuchen insgesamt würde jedenfalls kleiner werden, der Wohlstand bei uns würde noch deutlicher sinken, aber ist das angesichts eines Erdenkollaps ein Argument und könnte man damit nicht umgehen?

Ein Ansatz dazu wäre wie bereits erwähnt eine weltweite Reglementierung des Ressourcenverbrauchs durch die Ausgabe begrenzter Zertifikate. Hierbei würden die Staaten weltweit den jährlichen Ressourcenverbrauch begrenzen und die Unternehmen unter relativ gleiche Bedingungen stellen. Durch die Verknappung der Ressourcen würden die Preise steigen, was an sich gut wäre, aber wirtschaftsschwächere Länder und ressourcenintensive Betriebe beim Handel benachteiligen würde. Um den globalen Zertifikatehandel aber gerecht und sozial nachhaltig zu organisieren, müsste man die Handels- und Zuteilungsregeln (ähnlich den Emissionsrechten bei den CO2-Zertifikaten) so gestalten, dass auch wirtschaftsschwächere Länder Zertifikate für eine nachhaltige Entwicklung zu einem niedrigeren, kaufkraftangepassten Preis erwerben könnten. Weiterhin müsste die Zuteilung von Emissionsrechten auch vom bisherigen Verbrauch und von der Nachhaltigkeit des Produkts abhängig gemacht werden: Wer in der Vergangenheit mehr verbraucht hat, bekommt weniger und wer weniger verbraucht hat, bekommt mehr Rechte (Dimension Wirtschaftsraum). Wer mehr verbraucht, aber sozial und ökologisch nachhaltige Produkte nachhaltig produziert, bekommt ebenfalls mehr Rechte, als ein „normales“ Unternehmen, aber trotzdem weniger als vorher, weil ja die Ressourcen begrenzt sind (Dimension Nachhaltigkeit).

Ob es so weit kommen wird, ist sicher fraglich und bis es so weit ist, bleibt für ein verantwortliches Unternehmen aber trotzdem eine Frage zentral und realistisch:

Wie können wir einen notwendigen Gewinn erwirtschaften und trotzdem weniger Ressourcen verbrauchen?

Aus Sicht des Unternehmens müssen Gewinnerzielung, Ressourceneinsparung und CO2 Reduzierung mindestens gleichwertige Ziele sein.

Verantwortliches Unternehmerhandeln in der Ökokrise

Unternehmen sind der „Maschinenraum der Wertschöpfung“ und neben den Konsumenten für den Ressourceneinsatz und -verbrauch von Gütern und Dienstleistungen zentral verantwortlich. Insofern wäre hier auch anzusetzen, wenn es darum geht den Ressourcenverbrauch und CO2 Emissionen zu reduzieren. Gleichzeitig kann aber auch von keinem einzelnen Unternehmen verlangt werden, dauerhaft auf Umsatz und damit auch auf Ressourcenverbrauch zu verzichten, wenn es sich damit so stark schädigen würde, dass ein einträgliches Geschäftsmodell nicht mehr möglich wäre und es vom Markt verschwinden würde. Die Konkurrenz würde den Marktanteil übernehmen und nichts wäre gewonnen. Es muss gleiche Bedingungen für alle geben. Das wiederum ist die Aufgabe der Politik, der Weltpolitik!

Was wäre in diesem Konflikt zwischen einer gesinnungsethischen Haltung des Verzichts einerseits und den Realbedingungen der Konkurrenz auf dem Weltmarkt andererseits für Unternehmen nun eine ethisch verantwortliche Handlungsposition?

Nachhaltigkeit als ernsthaftes strategisches Ziel

Unabhängig von politischen Vorgaben könnte ein Unternehmen jederzeit eine signifikante Reduzierung des materiellen Ressourceneinsatzes und der CO2-Emissionen (Kreislaufwirtschaft, Erforschung und Verwendung andere Materialien, Grüne Energie, etc.) als ein der Gewinnerzielung gleichwertiges strategisches Ziel festlegen. Die großen und berichtspflichtige Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zwar im Zusammenwirken darstellen (CSR-Richtlinie), dadurch ebenso auch ihre Lieferanten, dies aber ohne irgendwelche quantitativen Vorgaben durch den Gesetzgeber, wie dies beispielsweise die Initiative Ressourcenwende fordert. Das soll sich jetzt in Bezug auf einheitliche Standards zwar ändern, aber leider nicht in Bezug auf branchenbezogene quantitative Vorgaben. Ebenso könnten sich Unternehmen dazu verpflichten, sich nicht durch „günstige“ und teilweise noch nicht einmal kontrollierte Klima- und Kompensationszertifikate von der Emissionsreduzierung freizukaufen, sondern primär Ressourcen einzusparen. Manchmal sind solche Kompensationen sicher notwendig, weil bestimmte energieintensive Produkte einfach gebraucht werden und nicht so einfach ersetzt und reduziert werden können (Stahl, Keramik, Glas, Beton, etc.), aber ernsthaftes Nachhaltigkeitsmanagement besteht darin, Emissionen und Ressourcen zu sparen und zu reduzieren und nicht zu kompensieren. Ebenso müsste man die Belegschaft mitnehmen: Warum ist Nachhaltigkeit für uns ein Megathema und was hat das mit jedem Einzelnen am Arbeitsplatz zu tun? Da muss und kann insgesamt deutlich mehr getan werden.

Nachhaltigkeit in der Produktion

So könnte man sich z. B. zum Ziel setzen, die Ressourcenmenge entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Produkts bis 2030, sagen wir um mindestens 30 % durch Effizienzsteigerungen, durch Materialsubstitution oder durch Mengenverzicht zu verringern. Hintergrund dieser Zahlen ist ein Näherungswert von Experten, die davon ausgehen, dass wir bis 2050 nur noch die Hälfte der Ressourcen verbrauchen dürfen, die wir im Jahr 2000 verbraucht haben. Entsprechende Korrekturen und Anpassungen im Produktportfolio müssten möglich sein. Nicht nur die Produkte mit der höchsten Ertragsaussicht, sondern auch die mit hohen Nachhaltigkeitswerten könnten ins Portfolio aufgenommen werden. Um dies alles ernsthaft umzusetzen, müssten auch Lieferanten neu ausgerichtet und ausgewählt werden. Weiterhin wäre ein Nachhaltigkeitsmanagement zu implementieren, das nicht als Appendix irgendwo angehängt wird, sondern als eigenständiges Managementsystem Gesicht und Bedeutung hat. So wäre eine notwendige Erfassung des Ressourcenverbrauchs und der Emissionen ohne ein solches Managementsystem überhaupt nicht möglich. 

Nachhaltigkeit und Lebensdienlichkeit in der Anwendung

Unternehmen könnten weiterhin unabhängig von politischen und rechtlichen Vorgaben End-  und Zwischenprodukte für ein „gutes Leben“ entwickeln und Produkte einstampfen, die dafür nicht wesentlich sind (z. B. Süßigkeiten, zu viel Autos und Flugzeuge, Elektroroller für Kinder, Smart Home, vielleicht autonomes Fahren, Games, etc.). Vielleicht bietet ja die aktuelle Energiekrise auch eine Chance, energieintensive Produkte, die die Menschheit nun wirklich nicht braucht, auszusortieren. Dann wird auch der Preis sinken. Was die Menschheit braucht und was nicht, was lebensdienlich ist oder nicht, ist zwar eine Interpretationssache, in dem Falle v.a. der Eigentümer und seiner Manager, aber alleine schon die Heranziehung des „Kriterium Lebensdienlichkeit“ als Maßgabe für wirtschaftliches Handeln und eines Geschäftsmodells wäre an sich schon ein Fortschritt. Und um gleich mal den Argumenten der Superliberalen „gegen diese Bevormundung“ entgegenzutreten: die Wirtschaft bevormundet durch Werbung schon lange, nur viel subtiler und ein Nachfragemarkt mündiger und rational entscheidender Bürger gab es auch noch nie. Nachfrage wird immer durch ein bewerbendes, die Affekte ansprechendes Angebot erzeugt, zumindest beim Endkonsumenten. Alles andere ist Augenwischerei. 

Veränderung des Mindsets und mehr Verzicht

Eigentümer und Manager sollten sich dringend vom Glaubenssatz des Wachstumszwangs verabschieden. Zum einen, weil ständig wachsen schlicht und einfach nicht mehr geht und zum anderen, weil unternehmerischer Erfolg auch ohne Ressourcenwachstum und teilweise auch ohne Umsatzwachstum möglich ist, falls die Kosten reduziert werden könnten und Stakeholder sich in Verzicht üben. Unternehmenserfolg hieße hier, unter den „Bedingungen des Verzichts und der Begrenzung“ ein Unternehmen zu führen, das Produkte und Dienstleistungen herstellt, für das die Marktteilnehmer, ebenfalls unter den Bedingungen begrenzter Einnahmen, so viel Geld bezahlen würden, dass damit alle Stakeholder (v.a. Eigentümer und Arbeitnehmer) angemessen beteiligt werden könnten. Ebenfalls müssten auch noch genügend Rücklagen für Innovationen und die Fortführung des Geschäftsbetriebs erwirtschaftet werden können. Angemessen hieße hier, dass sie davon gut leben könnten und dass ihr Anteil leistungs- und verantwortungsgerecht ist.  Ein 10 – 50 Mal höherer Verdienst von Managern im Vergleich zum Durchschnitt ihrer Beschäftigten wären so gesehen sicherlich nicht mehr angemessen. Ebenso müsste ein verantwortungsvolles Unternehmen auch über die Höhe von leistungslosen Ausschüttungen an die Eigentümer sprechen. Welche Höhe ist da ethisch vertretbar. Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften wäre unter diesen Gesichtspunkten ebenfalls notwendig. 

Fazit

Das sind Skizzen eines unternehmerischen Ethos und einer Wirtschaftsordnung, in der sich individuelle Freiheit beschränkt und sich mit der Verantwortung für das Überleben der Menschheit verschränkt. Ein Ethos, das globale Verantwortung vor Profit setzt, wie es jüngst der Unternehmer und Patagonia-Gründer Yvon Chouinard ankündigte: Er verschenkt sein Unternehmen an gemeinnützige Klimaschutzstiftungen. Viele kleine und alternative Unternehmen arbeiten bereits aufgrund eines solchen Ethos und auf Basis alternativer Ansätze (Gemeinwohlökonomie, Postwachstumsgesellschaft, Genossenschaften, Shareökonomie, etc.), die allesamt das Anliegen teilen, beim Wirtschaften stärker das Gemeinwohl im Auge zu haben, unseren Planeten durch weniger Ressourcenverbrauch zu schützen, weniger auf die Anhäufung von Eigentum und Besitz und mehr aufs Teilen und Benutzen zu zielen. Und es funktioniert. Auch wenn man solche Konzepte nicht so ohne weiteres auf große Unternehmen übertragen kann, bieten sie doch auch für Konzerne genügend Ansätze für ein verantwortlicheres Wirtschaften. Selbst wenn man natürlich nicht genau absehen kann, wie die Zukunft in 20 bis 30 Jahren aussehen mag, kann man doch mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren, dass ein „Weiter so“ allen schadet und eine Umkehr dringend notwendig ist, v.a. im Bereich des Wirtschaftens. Nur so bleibt der Globus im Gleichgewicht und haben wir als Menschheit auch noch in 50 Jahren eine lebenswerte Umwelt. Unternehmer, lasst euch nicht von der Politik nötigen, das Richtige zu machen, sondern treibt die Politik, damit sie das Richtige macht!!

 

1 Pierre Charbonnier: Überfluss und Freiheit, Eine ökologische Geschichte der politischen Ideen, Paris 2020

2 Narrativ „Grünes Wachstum“:
https://www.bpb.de/themen/umwelt/anthropozaen/216920/das-anthropozaen-ist-kein-schicksal-sondern-eine-herausforderung/
https://www.stb-web.de/news/article.php/id/25117
https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/press-briefing/details/news/ist-gruenes-wachstum-moeglich/
https://www.ressourcenwende.net/blog/zusammenfassung-der-studie-ist-gruenes-wachstum-moeglich/
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/nachhaltiges-wirtschaften/biooekonomie/29190.html)

 

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